Die beste Krankheit taugt nichts

Wer auch immer den Spruch äußerte „im Krankenhaus wird man nicht gesund, man wird entlassen“, muss entweder Patient gewesen sein oder selbst in einer solcher Institution gearbeitet haben. So oder so, sind es weise Worte; leider, muss man hinzufügen. Denn die heutigen Zustände und Entwicklungen in Krankenhäusern, Sozialstationen und anderen Pflegeeinrichtungen sind geradezu erschreckend. Ich weiß wovon ich rede. Ein Großteil meiner Familie und meines Bekanntenkreises ist in einem dieser Bereiche tätig.

 

Allein die Tatsache, dass Kliniken mittlerweile fast ausschließlich auf den finanziellen Aspekt achten und wie große, gewinnwirtschaftliche Konzerne betrieben werden, gibt mir zu denken. Ist ja nicht verkehrt, dass man etwas Geld für jegliche Eventualitäten bei Seite legt, schließlich kann es immer passieren, dass neue Geräte benötigt werden. Wenn das Geld dann wenigstens auch dafür ausgegeben würde. Mittlerweile sind beinahe 35% aller Krankenhäuser in Deutschland in privater Hand und werden von großen Unternehmen wie „Helios“ und „Asklepios“ geleitet. Mit Milliardenumsätzen, während kleinere Häuser mit der Insolvenz kämpfen müssen. Wenn die jetzt noch einen „Starbucks“ und einen „McDonald’s“ mit einbauen, könnte man es schon als kapitalistisches Paradies bezeichnen. Aus mehreren Gründen; grüßt das Cholesterin.

Gleichzeitig nimmt die Zahl der Krankenhäuser und der Betten ab. So wie auch die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Patienten. Die Anzahl der Fälle jedoch steigt, was für mich nur bedeuten kann, dass man als Krankenhausverwaltung versucht, Patienten so schnell wie möglich wieder zu entlassen, um das Bett für die nächste pflegebedürftige Person frei zu machen. Denn jeder „Gast“ bringt Geld und auf diese Weise kommen viele ohnehin wieder, da sie einen Rückfall haben. Wenn man jetzt Privatpatient ist, darf man selbstverständlich gerne länger bleiben. Da lässt es sich auch aushalten. Habt ihr mal so ein Privatzimmer gesehen? Ich schon! Und ich finde nicht mal ein Zimmer in einem Fünf-Sterne-Luxushotel reicht da ran. Wenn das Bad genauso exorbitant ist wie das restliche Zimmer und zudem mit blauem und grauem Marmor verkleidet, dann weiß man wo das Geld verfugt wurde.

Und das Ganze geht auf Kosten des Personals, auch wenn es nicht zwingend nötig wäre. Aber wen sollte es auch sonst treffen? Manche Häuser bauen trotz jahrelanger konstant bleibender Bettenauslastung weitere Stationen an, stellen aber keine neuen Pflegekräfte ein. Und schon gar nicht wird nachgefragt, was denn benötigt würde. Wenn es jemand weiß, dann doch das Personal. Aber selbst auf die mittlerweile standardisierten elektrischen Krankenkurven wird verzichtet, die die Behandlung vereinfachen. Grund: zu teuer! Gerade die wären aber auch sinnvoll. Ich kenne da eine Geschichte, in der sich eine Bekannte jeden Tag einem anderen Arzt gegenüber sah und jeder fragte erst mal nach, was sie denn hätte. Nach einer Woche kann das schon mal nerven.

Muss jemand wegen einem krankheitsbedingten Ausfall einspringen, ist es eigentlich üblich, dass man etwas Extrageld bekommt. Doch nicht überall. Da verstehe ich schon, wenn Krankenschwestern und Pfleger keine Lust haben, ihren freien Tag doch in der Klinik zu verbringen. Die Folge ist, dass die Station für den Tag ein Bett schließen muss, da sonst die Versorgung der Patienten nicht mehr gewährleistet werden kann. Ist sinnvoll, aber vermeidbar. Auf Nachfragen des Personals, ob es nicht möglich wäre, noch jemanden einstellen zu können, erhält man so aufbauende Antworten wie: „Nein. Dann müsst ihr halt besser im Team arbeiten.“ Logisch. Das nächste Mal, wenn ich gefragt werde, ob ich arbeiten könnte, werde ich mit demselben Blödsinn antworten.

An Beispielen und Geschichten fehlt es mir wahrlich nicht. Da gäbe es z.B. die Pflegerin einer Sozialstation, die Doppelschichten abarbeiten muss, teils auch in Kombination von Nacht- und Frühdienst, oder ständig einspringen muss, weil man keine neuen Pflegekräfte einstellen möchte. Wenn da etwas passiert, gibt es richtig Ärger. Übrigens geschieht dies aus finanziellen Gründen. Klar. Aber Geld für eine neue Zweigstelle gab es. Ich würde zunächst mal dafür sorgen, dass die vorhandenen Strukturen so funktionieren wie sie sollten. Richtig toll finde ich die Erzählung der Nachtschwester einer größeren Reha-Klinik, die alleine für 120 Patienten in zwei Häusern zuständig war! Die stellen übrigens wieder ein, Schizophrene bevorzugt.

Über die Gehälter lässt sich auch streiten. Eine Krankenschwester, die seit zwei Jahren auf der Intensivstation arbeitet, in einer 75%-Stelle, verdient Netto mit allen Zuschlägen gerade 1.400 Euro. Ist ja nicht so, als ob die Ausbildung teilweise schon an ein Medizinstudium heranreicht und man für Menschenleben zuständig ist. Selbst Ärzte verdienen meiner Meinung nach zu wenig. Krankenhausärzte wohlgemerkt. Mir ist schon klar, warum jeder eine Praxis eröffnen möchte. Da spart man sich einiges an Stress, Nachtdiensten und Papierkram. Viel Zeit für Hobbys, Familie und Leben bleibt nämlich nicht übrig, wenn man erst mal alles abarbeiten muss. Ich vermute auch, dass viele der 15.000 bis 17.000 jährlichen Todesfälle durch Fehler in Deutschland stark zurückgehen würden, wenn Ärzte und Pflegepersonal ausgeruhter wären. Mit nur vier Stunden Schlaf, würde sich von uns auch niemand zur Arbeit mühen, oder? Schon gar nicht wenn man einen Menschen aufschneiden müsste oder für seine künstliche Beatmung verantwortlich ist.

Mir fällt einfach keine logische Erklärung ein, warum der Staat überhaupt private Krankenhäuser zulässt. Da wird gewirtschaftet und nicht (nur) kuriert. Vor allem angesichts neuer Prognosen, in denen es heißt, dass sich die Zahl der Pflegefälle bis 2040 um voraussichtlich 40% steigern wird. Ich bin zwar mit solchen Prognosen immer vorsichtig, aber selbst bei „nur“ 20% wären das noch immer unglaubliche Mengen. Bei weniger und schlecht bezahltem Personal! In immer weniger Kliniken! Da soll mir noch mal einer sagen, das deutsche Gesundheitswesen (zusammen mit Schulwesen und Renten) sei vollkommen in Ordnung!

Nicht einmal bei den Hygienevorschriften darf sich der Staat einmischen. Gesundheitspolitik ist in dieser Hinsicht eine reine Ländersache, womit man ja noch leben könnte, wenn sie diese wenigstens konsequent und rigoros betreiben würden. Das Bundesministerium für Gesundheit hat keinerlei Einflussmöglichkeiten darauf und gesetzliche Krankenkassen dürfen Patienten nicht sagen und empfehlen bzw. verraten, welches Krankenhaus denn hygienisch betrieben wird. Da wäre dann also der Rest der vermeidbaren Todesfälle! Hände waschen! Nicht nur nach Verzehr eines Brötchens!

Es gäbe also genug Verbesserung- und Änderungspotential in deutschen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Mir ist durchaus bewusst, dass die Situation (noch) nicht so schlimm ist und global gesehen unser Gesundheitswesen vermutlich immer noch auf den vorderen Rängen rangiert. Wir haben wenigstens eins, nicht wahr USA? Aber müssen wir denn auch bei unserer Gesundheit wortwörtlich um jeden Preis auf das Geld starren?

Gut, wer Geld hat, also wie Manager „leistungsgerecht bezahlt wird“, dem kann es zunächst mal egal sein. Aber da fällt mir nichts Besseres ein, als mir von mir sehr geschätzten Kabarettisten Volker Pispers zu zitieren:
„Stellen Sie sich vor, morgen fallen alle Unternehmensberater, Investmentbanker und alle Aktienanalysten tot um – oder morgen fallen alle Krankenschwestern, alle Polizisten, alle Feuerwehrleute, alle Ärzte tot um, und überlegen Sie kurz, was Sie persönlich vermissen würden.”

Na, schon entschieden? Ich für mein Teil, versuche zumindest mein Hirn gesund zu halten.

Könnte dem einen oder anderen Verwaltungschef und Aufsichtsratsmitglied nicht schaden, dass auch mal zu versuchen. Sonst folgt bald ihre Entlassung.

Und ich werde keine Blumen bringen!

 


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