Rezensionen

November 2024

Sybille Fritsch-Oppermann mit I.J. Melodia* für die Repräsentanz NRW und alle Neugierigen

 

AUSZUG:

Fünf sehr unterschiedliche Kapitel (Jugendjahre meiner Worte, Die Nebel in mir, Spiralgalaxien, Tinte fällt unter die Haut und Schnittmuster/Gedanken), die aber einiges gemeinsam haben:

 

Die Suche nach einer möglichen Verbindung von Vertikale und Horizontale, von Linie und Kreis, von Jetzt und Immer.

 

Und auf dieser Suche lässt Melodia die Worte zu Wort kommen. Und in ihren Jugendjahren klingen sie oft nach Meer und Sand, nach Verlust und neu Ankommen (müssen). "Dieses Meer hat keine Küsten" heißt eines der Gedichte in Teil 1 des Buches.

 

Die Beschreibungen von und Bilder der unumgänglichen Häutungen und Schuppungen gehen dabei wortwörtlich durch Mark und Bein, Haut und Knochen - bis aufs Blut. Die Fragen nach Sinn und Sünde werden Gestein und Metall abgeschürft und abgeschorft. Und eine Annäherung an Wirklichkeit (vor metaphysischen Metaphern und Wahrheitsansprüchen scheut diese Lyrik zurück) geschieht meistens im Zwiegespräch, auf Augenhöhe mit allem, was die Welt zu bieten hat. Mit rostigem Metall, mit Aphelien (den sonnenfernsten Punkten von Umlaufbahnen), Beton, Scherben, Libellen, Aaskäfern (Silphidae) und immer wieder Meer und Sand.

 

Leicht macht es der Autor den Lesenden nicht; jedenfalls nicht, wenn sie Andeutungen und Doppeldeutigkeiten alle entziffern, die Querverweise in die Welt der Kunst und der Natur alle finden wollen.

 

Viele Menschen treten nicht auf in diesen Gedichten. Ecce Homo - ein Mensch auf der Suche nach Sinn und Sich - und - einem Alter Ego: "So vergehen Tage und Nächte" / mit einem stummen Echo / und Grünspan auf der Haut" (S. 95). "Trage deine Stimme / noch immer in den Taschen / drehe sie auf links / Sie fällt mir ins Wort / ohne etwas zu sagen" (Seite 88)

 

 

Faszinierend die sprachlichen Figuren, mit denen Melodia um eine Annäherung an Unsagbares ringt - Zeilensprünge, Satzbrüche, Enjambements, Sprachspiele und Paradoxien auch; Synästesien längst nicht nur als rhetorisches Sprachmittel, Ausdruck auch sich verzerrender und überlappender Wirklichkeits- und Wahrnehmungsschichten - Lyrik als Onamantie und Mathematik?